Handwerk mit Birkenrinde
Im Frühling, wenn die Natur langsam aus ihrem Winterschlaf erwacht, regt sich auch der Wasserkreislauf in der Birke. Er lässt die ersten Knospen sprießen und die ersten grünen Blätter wachsen. Sobald diese dunkelgrün und saftig werden, ist es an der Zeit in den Wald zu gehen und mit der Ernte der Birkenrinde (russ. „Beresta”) zu beginnen.
Die Ernte setzt nicht nur eine physische und handwerkliche Vorbereitung voraus, sondern der Meister muss eine Bindung mit der Natur eingehen und sie vor allem verstehen können. Bevor er die passenden Bäume für sein Handwerk aussucht, geht er alle Birken ab und inspiziert sie. Die ausgewählte Birke muss man nun berühren, sie um Vergebung bitten und sich für die Gaben die der Baum hergibt bedanken.
Diese Tradition stammt noch aus den heidnischen Zeiten, wo sich der Mensch als Teil der Natur verstand und nicht als Besitzer. Es war die Zeit, in der alles was den Menschen umgab für ihn heilig war und eine Seele besaß. So bat der Mensch den Geist der Lebewesen, sei es Baum oder Tier, die er dem Schoß der Natur entreißen wollte, um Erlaubnis. Er tat dies, um nicht den Zorn der Götter auf sich zu ziehen…
In dem Handwerk gibt es drei verschiedene Wege um frische Birkenrinde zu ernten. Man kann dünne Platten („Plast”), Bänder („Lenta”) und „Skoloten” (eine Art Schaft) von der Birke abziehen.
Um dünne Platten aus Birkenrinde ernten zu können, wird ein nicht all zu tiefer und vertikaler Schnitt von etwa 1,0 bis 1,5m in die Rinde gemacht. Anschließend wird die Rinde am Anfang und am Ende des vertikalen Schnitts um ca. 20 cm angeschnitten. Um die frische Birkenrinde dann behutsam vom Baum ziehen zu können ergreift der Handwerker das untere Ende des Anschnitts. Wenn der Baum und der Zeitpunkt richtig gewählt worden ist, löst sich die Rinde mit einem saftigen und klangvollen knacken.
Für die Herstellung der Bänder wird die Birkenborke am Baum 4-6cm vertikal angeschnitten und spiralenförmig abgezogen. Ein erfahrener Handwerker kann in einem Stück 1m Band vom Birkenbaum abziehen. Wichtig ist es, bei der Ausbeute der wertvollen Materialien, sehr behutsam mit dem Baum umzugehen und keinesfalls die Bastschicht mit den Anschnitten zu verletzten. So trocknet die Pflanze nicht ein und nach einigen Jahren bildet sich eine neue Rinde.
„Skoloten” wird von einem gefällten Baum mit einer bestimmten Drehtechnik und ohne weitere Anschnitte abgezogen. So erhält man einen unbeschadeten Zylinder aus Birkenleder. Diese Birkenborke wird dann zur Herstellung von dichten „Tues” für die Aufbewahrung von Flüssigkeiten verwendet.
Nach der Rückkehr aus dem Wald, wird das Birkenleder mit einem Tuch von Feuchtigkeit befreit und gründlich von Moos und Dreck gereinigt. Mit einem Messer schneidet der Handwerker Auswüchse von der Oberfläche ab und bereitet die Rinde somit zur Einlagerung vor. Die Lagerung der Birkenrinde erfolgt in dunklen, trockenen und gut gelüfteten Räumen. Bestens geeignet sind hierfür Keller, Dachboden oder Ställe. Bei richtiger Aufbewahrung kann die Birkenborke bis zu 3 Jahre gelagert werden.
Bei feuchter Lagerung kann die Rinde von Schimmelpilz befallen werden, was unschöne Flecken hinterlässt. Die Aufbewahrung unter der prallen Sonne wird die Borke brüchig und viel zu hell. Die ausgetrocknete Birkenrinde kann aber für einige Zeit in Wasser eingelegt werden und somit für die Weiterverarbeitung wieder nutzbar gemacht werden.
Für die Herstellung eines Birkenrindenproduktes braucht man ein Werkzeugset, welches aus wenigen universellen Werkzeugen besteht. Das Handwerk kommt mit Scheren, Messer, Feilen, Punziereisen und Meisel aus. Eben mit diesen einfachen Instrumenten sind hier der Phantasie keine Grenzen gesetzt und so können zauberhafte Muster auf der Oberfläche der Schachteln entstehen.
Die Verarbeitung von Birkenrinde kann man mit kreativer Gestaltung von Holz und der Veredelung von Leder vergleichen.
Um der künstlerischen Gestaltung Herr zu werden, kann man bei diesem Handwerk das Produkt, prägen, kerben, ritzen, flechten und bemalen:
Techniken im Handwerk
- Beim Prägen sind die Schönheit und die Fülle von Ornamenten sehr wichtig.
- Bei der Kerbtechnik unterscheidet man zwischen geometrischer- und pflanzlicher Kerbung. Der bekannteste Kerb-Stil ist die „Schemogodskaya Beresta” .
- Zum Ritzen sollte ein Messer, ein Pfriemen oder eine Nadel verwendet werden.
- Geflochten wird die Rinde gerade oder schräg.
- Zum Bemalen sollte man reichlich Fantasie und einen Malkasten haben. Die bekannteste Art der Bemalung, auch in Kombination mit Kerbung und Prägung ist die „Domschinskaya Beresta”